Im Rahmen des Krisentalks 2024 richteten namhafte Expert*innen ihren Fokus auf den mitunter schmalen Grat zwischen Beistand und Belastung im Bereich der Krisenintervention und kreisten um die zentrale Frage: Was hilft den Helfer*innen?
Das Thema des Krisentalks der Krisenhilfe OÖ am 24. April 2024 im Wissensturm Linz stieß auf reges Interesse – rund 160 Gäste verfolgten im Wissensturm Linz gespannt die Vorträge und Diskussionsrunden, durch die Veranstaltung führte ORF-Moderatorin Claudia Em.
Nach Unfällen, bei Großschadensereignissen, Gewalt- oder Tötungsdelikten, schwerwiegenden familiären Konflikten oder privaten Krisen – wenn es schwierig wird, sind sie zur Stelle. Ob hauptberufliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter*innen der Einsatzorganisationen oder Beschäftigte im Sozial-, Pflege- und Gesundheitsbereich – sie alle machen in ihrem Job tagtäglich Erfahrungen, die nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch sie an ihre Belastungsgrenzen bringen können.
„Es gibt tragische Ereignisse, die Kriseninterventionsmitarbeiter*innen trotz ihres professionellen Anspruchs erschüttern können – und gerade dann sind Strukturen und Strategien, die eine schützende Wirkung auf ihren psychischen Zustand ausüben und Stabilität bieten, umso wichtiger. Diesem zentralen Thema verschrieb sich der diesjährige Krisentalk der Krisenhilfe OÖ“, sagt die Sozialarbeiterin und Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin Katja Sieper, Leiterin der Krisenhilfe OÖ.
Den ersten Vortrag des Krisentalks 2024 hielt die bekannte Notfallpsychologin Dr.in Barbara Juen, Universitätsprofessorin am Institut für Psychologie der Universität Innsbruck und fachliche Leiterin der Psychosozialen Dienste im Österreichischen Roten Kreuz, unter dem Titel „Hilfe für die Helfer*innen“. Sie widmete sich hilfreichen Interventionen, um Belastungen bei Kriseneinsätzen bestmöglich bewältigen zu können. Darüber hinaus zeigt sie auf, was Helfer*innen bereits im Vorfeld tun können, um sich im Zuge von herausfordernden Einsätzen und Arbeitssettings gezielt zu schützen.
„Es gibt Einsätze, die unter die Haut gehen. Was hilft den Helfer*innen in so einem Fall? Die Forschung zum Thema zeigt, dass vor allem drei Faktoren bei der Bewältigung von belastenden Erfahrungen im Bereich der Krisenintervention förderlich sind – soziale Unterstützung, etwa durch die Kolleg*innenschaft, gute Führung, etwa in Form von Mitarbeiter*innenfürsorge und positivem Feedback, sowie eigene Ressourcen und Strategien. Burn-out entsteht durch Sinnverlust, nicht durch zu viel Stress – wenn das Team gut funktioniert und die Tätigkeit sinnstiftend ist, treten Erschöpfungszustände viel seltener auf.“
Katja Sieper, Leiterin der Krisenhilfe OÖ, beschäftigte sich in ihrem Vortrag „Gesund und handlungsfähig bleiben“ beim Krisentalk 2024 mit der zentralen Frage, wie wir auf allgemeiner Ebene mit Belastungen umgehen können und sollen. Jede*r Kriseninterventionsmitarbeiter*in, ob hauptberuflich oder ehrenamtlich beschäftigt, kann auch im eigenen Privatleben mit einer großen Bandbreite an unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert sein, die sich auf Stabilität und Belastbarkeit auswirken. Schwere Erkrankungen oder ein Todesfall in der eigenen Familie, finanzielle Probleme, Konflikte mit dem/der Partner*in oder Sorgen um die eigenen Kinder – all diese Dinge begleiten uns ein Stück weit auch immer in unseren beruflichen Alltag hinein. Katja Sieper veranschaulicht in ihrem Fachbeitrag, wie man trotz unterschiedlichster Belastungen stabil in einen Einsatz gehen kann und vor allem auch gesund wieder nach Hause.
„Ganz grundsätzlich gilt: Reden hilft, zuhören hilft, Verständnis hilft. Wichtig ist es, bewusst aus dem Einsatz oder Arbeitstag auszusteigen. Gleichzeitig sollten Helfer*innen keine Scheu davor haben, Supervision in Anspruch zu nehmen. Eine schützende Wirkung entfalten auch die Nutzung von spezifischen Aus- und Fortbildungen bzw. das Auffrischen von Fachwissen. Und eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen persönliche Methoden der Selbstfürsorge. Frische Luft schnappen, Sport treiben, Freund*innen treffen, Hobbys nachgehen – Ansätze, die sich positiv auf das persönliche Wohlbefinden auswirken, sind gerade in herausfordernden beruflichen Phasen ein essentieller Beitrag zur eigenen Gesundheit.“
Im Zuge einer anschließenden Talkrunde mit Diskussionsmöglichkeit gaben die beiden Vortragenden, der Sozialarbeiter, Supervisor und Coach Klemens Fraunbaum, Einsatzkoordinator der Krisenhilfe OÖ, sowie der Sozialarbeiter Dominik Lichtenthal, Mitarbeiter im Kriseninterventionszentrum und im Team Mobile Einätze der Krisenhilfe OÖ, exklusive Einblicke hinter die Kulissen der Krisenintervention. Den Ausgangspunkt der angeregten Gespräche bildete die Frage nach den größten Herausforderungen ihrer täglichen Arbeit, die Dominik Lichtenthal folgendermaßen beantwortete: „In der Begegnung mit Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht zwischen Mitgefühl und Betroffenheit die eigene Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten, ist eine wesentliche Herausforderung. Im Klient*innenkontakt laufend einen Teil der Achtsamkeit bei sich selbst zu behalten, um Emotionen wie Hilflosigkeit nicht als eigene zu übernehmen, ist ebenfalls eine ständige Challenge. Die Schwierigkeit dabei ist, kontinuierlich ausreichend auf sich selbst zu achten.“
Die Talkgäste behandelten unter anderem Themen wie hilfreiche Rituale, guten Führungsstil, einen sinnvollen Umgang mit Überforderung, Hemmschwellen für die Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen oder Fehlerkultur, aber auch die positiven Veränderungen der eigenen Weltsicht durch die Arbeit in einem helfenden Beruf – dazu zählen etwa Gegenwartsorientierung und ein intensives, achtsames Leben.
Klemens Fraunbaum, der auch bereits seit dem Jahr 1986 als ehrenamtlicher Rettungssanitäter arbeitet, betont: „Als Helfer*in braucht es mit Sicherheit immer wieder ein gewisses Maß an Heldentum. Man sieht häufig Dinge, die für 99 Prozent der Bevölkerung außerhalb des Normalbereichs liegen. Das Abwiegen, was zum Job gehört und was die eigene Schmerzgrenze überschreitet, ist ein ständiger Balanceakt. Aus diesem Grund spielen institutionelle Unterstützungsleistungen und Selbstfürsorge eine entscheidende Rolle, um als Helfer*in psychisch gesund zu bleiben.“
Die Präsentationen der Vortragenden im Rahmen des Krisentalks 2024 gibt es hier zum Download: